Mona Passage

Wir genießen noch die außergewöhnlich schönen Ankerplätze an der Südküste Puerto Ricos, zauberhafte ruhige Winkel hinter riesigen Riffen, zwischen den Mangroven in seichtem türkisblauen Wasser. Eine nächtliche Expedition führt uns mit dem Dinghi bei schwarzer Dunkelheit in die Bahia Fosforescente. Myriaden an leuchtenden Einzellern wohnen dort und schalten ihre kleinen Positionslichter ein, als wir durch die engen Mangrovenarme paddeln. Tadeja wagt sich ins Wasser und schwimmt, von einer leuchtenden Aura umgeben, durch die magische Nacht.  Hier würden wir gerne noch einige Zeit bleiben, Puerto Rico hat uns in seinen Bann gezogen, aber wir bekommen Gäste in der Dominikanischen Republik und müssen weiter.

Zwischen den beiden großen Inseln Puerto Rico und Hispaniola (Dom Rep und Haiti) liegt eine 80 Seemeilen breite Meerenge, die Mona Passage. In der Mitte befindet sich die Insel Mona, ein schachtelförmiges flaches Eiland, auch Galapagos der Karibik genannt. Und rundherum pflegt hier das Wetter und das Meer verrückt zu spielen, starke Strömungen aus allen Richtungen, schwere Böen und hoher Seegang. Der Passat sucht sich hier seinen Weg zwischen den beiden Landmassen, der Seegang kommt von Norden und Süden in die Passage, und die hohen Berge Puerto Ricos sorgen für die zusätzliche Würze durch die Fallwinde.  Wir drehen und wenden den Wetterbericht, aber es gibt anscheinend keinen Tag, der für uns wirklich gut passt, der sowieso schon kräftige Passat wird noch einmal kurz zulegen und dann soll es plötzlich für einige Tage schwachwindig werden. Die ersten Meilen wird der Wind durch die Abdeckung Puerto Ricos sowieso nicht über 12 Knoten gehen, für uns zu wenig wenn er achterlich kommt, dafür aber weiter draußen in der Nacht und am nächsten Tag kräftig zulegen. Wir entscheiden uns also noch am späten Abend abzulegen, um 2200 gehen wir Anker auf und motoren in die schwarze Nacht. Der Wind weht nach Plan, aber dem Seegang ist das völlig egal, kaum sind wir aus der Abdeckung der Bucht, bauen sich Wellenberge auf, aus allen Richtungen stürzen sie auf uns ein und spielen mit der kleinen KALI MERA Fußball.  Wellenmannschaft Süd versucht sie möglichst weit in den Norden hinaufzutreiben, Wellenmannschaft Nord gibt ihr – wo sie sie nur erwischen kann – einen Tritt nach Süden und zu allem Überfluss kommen dann auch noch Mitspieler von Osten aufs Spielfeld, um ihr ein Bein zu stellen, wenn sie einmal wieder in Fahrt kommt. Wir werden durchgeschüttelt, Tadeja zieht in die Lotsenkoje im Salon und ich polstere mir den Cockpit-Boden aus und verklemme mich dort.  Im Schiff ist alles bestens gesichert, dennoch kracht und scheppert es in den Schapps und dummerweise auch im Kühlschrank, dieser kocht sich sogar selbstständig Eintopf aus seinen Innereien. Beim Aufputzen der Sauerei mitten in der Hochschaubahn ist dann mein seeganggewohnter Magen beleidigt. Als nach Mitternacht der Wind auf 25 Knoten zunimmt, wird zwar der Seegang noch ungemütlicher, aber die KALI MERA stabilisiert sich ohne Motor mit der großen Genua. Bei hohen Wellen und achterlichem Wind brauchen wir einfach ausreichend Vortrieb, damit das Segel nicht einklappt und sich mit einem lauten Schnalzen wieder entfaltet, wenn uns eine Welle stark seitlich ablenkt. Um dieses Schlagen zu vermeiden (da zieht es mich nämlich jedesmal so richtig zusammen, als ob ich selbst eine Ohrfeige bekommen hätte) kreuzen wir dann meistens auf raumen Kurs vor dem Wind, das ist zwar etwas weiter, schont aber das Schiff und uns.

Diese Nacht bekommen wir so gut wie keinen Schlaf, manchmal dösen wir in der Pause zwischen zwei Waschprogrammen kurz ein, aber spätestens beim Schleudergang sind wir wieder voll da. Am nächsten Tag rauscht die Angel aus, ein riesiger Mahi Mahi ist am Haken, ein wunderschöner leuchtend goldschimmernder Fisch, gut 20 Minuten kämpfe ich um ihn ans Schiff zu bringen, als er dann endlich nur noch einige Meter entfernt ist macht er noch einen großen Sprung, reißt den Haken aus und ist wieder in Freiheit (und in meinem Kopf klappt sich das Kochbuch wieder zu, aber am Tag darauf hüpft und ein schöner Thun ins Boot und alles ist wieder ok).  Als wir uns dann gegen Mittag der Süd-Ost-Spitze der DR nähern wird der Wellengang homogener, die Kreuzwelle ist vorbei und es ist noch ein sehr entspannter Segelnachmittag, nach dem Kap bei der Insel Saona kommen wir sogar ins ruhige Wasser und sausen auf halbem Wind mit über neun Knoten dahin. Die KALI MERA scheint sich über diesen Abschlussgalopp richtig zu freuen und gibt noch einmal richtig Gas, das Ächzen, Krachen, Stöhnen und Schlagen ist verschwunden, ruhig zischen wir mit guter Krängung durchs Wasser und lassen einen langen, in der Abendsonne glitzernden, Gischtstreifen hinter uns, ein Hochgenuss. Dann fällt der Anker vor der Palmenküste Saonas in der Dominikanischen Republik und wir holen den versäumten Schlaf nach.

 

Tulipan Bäume, ferne Galaxien und ein Jeep

Wo sollen wir anfangen, dieses spannende Land zu entdecken?! Die Panorama-Route, die Hauptstadt San Juan, die Berge, den Regenwald, den Osten, den Westen, den Norden und Süden wollen wir sehen!

Das Schiff liegt sicher im Hafen, die Wäsche ist gewaschen, die Rucksäcke sind gepackt und der Jeep steht bereit.

Nichts wie los, quer durch die Mitte über die Panorama-Route – aber nicht ohne Finger auf der Landkarte, denn es gibt so gut wie keine Wegweiser, die Straßen sind hier alle nummeriert, führen alle paar Kilometer eine neue Zahl wie etwa 219, 167, 899, 6899, dann wieder 104.  Ohne Lupe findet man sich in diesem Dschungel unmöglich zurecht!

Die Panorama-Route hat ihren Namen verdient – die Augen gehen uns über von all dem Grün, den mächtigen Bäumen, den mit roten Blütenblättern übersäten Straßen. Die stammen von meinem Lieblingsbaum, dem African Tulipan. Sein glatter Stamm wächst hoch hinaus über den Regenwald und bildet oben eine breite Blätterkrone, von der große rote oder weich-orange tulpenförmige Blüten ihre Kelche senkrecht der Sonne entgegenstrecken und den Horizont rot färben.

Dann wieder verdichtet sich der Regenwald und die 15 Meter langen Bambusrohre bilden, in dicken Bündeln über der Straße zueinander gebeugt, einen grünen Domgiebel, durch den wir hindurchfahren; manchmal sind sie auch mit den Stromkabeln verwoben, an denen in kleinen Büscheln Orchideen vor sich hinwachsen; an anderen Stellen verhängen seildicke Lianen, die von uralten verwunschenen Bäumen baumeln, die Straße.

Dort, wo die Straßen eng werden, versprechen sie Abenteuer – über Serpentinen geht es steil nach oben, so steil, dass man meint, hintüberzukippen – manchmal müssen wir, um der Landkarte (und Herbert mir in der Rolle des Navigators) wieder vertrauen zu können, auch fragen, ob dieser Weg denn auch tatsächlich wo hinführt oder mitten im Himmel endet – und unsere Waghalsigkeit wird jedes Mal wieder belohnt. Es begegnen uns zwar nur wenige Autos, aber nicht dass wir meinten, die Straße gehörte uns allein, oh nein, auch Hunde, stolze Hähne mit ihrem Hennenharem, Rinder, Pferde und Leguane benutzen sie für ihre Alltagserledigungen – meist in unübersichtlichen Kurven…

Am Charko Azul (= blaue Pfütze) legen wir eine Pause ein. Die nach amerikanischer Manier sehr gepflegte Campinganlage um den kleinen See herum eignet sich gut, um die Reste von der gestrigen immer noch wunderbar duftenden Gemüsepfanne zu verzehren. Übernachten wollen wir in Barranquitas, dem Geburtsort des Nationalhelden Luis Muños Marín – auf das nette Zimmer mit Aussicht müssen wir allerdings etwas warten (und wir waren zum Trost nicht die Einzigen) – der sich in Nichts aufgelöste Besitzer kam erst mit einigen Stunden Verspätung mit dem Schlüssel daher. Das Panorama war tatsächlich umwerfend – und es war kalt wie es sich für richtiges Bergklima gehörte. Weil hungrig, machen wir uns auf Essenssuche – und finden, auf Empfehlung natürlich – das schlechteste lokal ever – EL Mofongo!!! Leider ungenießbar – dann schon lieber unsere mitgebrachten Käsebrötchen im Hotelzimmer.

Nach dieser Überdosis Natur zieht es uns in die Hauptstadt der Insel. Im Nu hat uns die Stadt in ihren Bann gezogen. Die von den Spaniern 1521 gegründete Altstadt San Juan Viejo, eingebettet zwischen den zwei Festungen El Morro und San Cristobal und dem Atlantik, sozusagen uneinnehmbar, bezaubert uns durch seine pastellfarbigen kleinen Palazzos, die an Italien und Spanien erinnern, alles ist sauber, gediegen, harmonisch – eine einzige wundervolle Komposition. Herbert liebt es, im romantischen Schatten der Regenwaldriesen, die das Stadtbild eindrucksvoll mitprägen, ein Weilchen zu lesen, während es mich in die Museen mit moderner als auch 500 Jahre alter Kunst zieht.

Den Höhepunkt unserer Erkundungstour bildet die Festung El Morro, die uns mit ihrer einzigartigen Lage mit voller Kraft fühlen lässt, wie sehr wir die Kultur und Ästhetik vermissen, die bei uns zu Hause so selbstverständlich ist, dass wir sie gar nicht mehr richtig wahrnehmen und sogar davor in die Natur fliehen. Wir beide, da sind wir uns ausnahmsweise einig, brauchen beides!  Nachdem wir das weitläufige Gelände und alle 6 Etagen der Festung brav abgegangen sind, haben wir uns einen herrlichen starken Kaffee verdient.

Die Menschen hier sind – wieder einmal – sehr anders als auf den Inseln bisher. Wohl amerikanisch beeinflusst – Puerto Rico gehört tatsächlich zu Amerika – sind sie überaus freundlich, entgegenkommend, betriebsam wie bei uns – die sonst so typische Lässigkeit fehlt völlig, der Tag beginnt nicht allzu spät und endet in den frühen Abendstunden – um 10 Uhr ist die Altstadt San Juan Viejo schon wie ausgestorben. Wir finden um neun gerade noch etwas zu essen – zum dritten Mal ein Mofongo (ein Nationalgericht aus Kochbananen kombiniert beispielsweise, wie hier, mit Garnelen) – das beste bisher.

Nach einem weiteren Wandertag durch die Stadt und zwei Tagen Hotelzimmer haben wir genug und beschließen, die Ausflüge vom Schiff aus zu unternehmen. Spät abends erreichen wir unser zu Hause – müde und voller Eindrücke lassen wir uns in die Betten fallen – wie gern wir unsere kuschelige Kali Mera haben!

Ein besonderes Highlight war der Besuch des Observatoriums von Arecibo. Es hat das größte feststehende Radioteleskop der Welt und einen Parabolspiegel von 300 m Durchmesser, der mitten in das Hochland Puerto Ricos eingegossen ist. Da ist sonst nichts. Von der Plattform aus bietet sich uns eine grandiose Aussicht auf das freischwebende Empfangs- und Sendesystem. Von hier aus sendet die Erde auch Botschaften, um eventuell existierendes Leben außerhalb unserer Hemisphäre auf uns aufmerksam zu machen. Man meint, zwischen Universen zu stehen und jeden Augenblick in Kontakt mit dem Weltall treten zu können – für mich ein Symbol für die Realisierung von Visionen und Träumen, das eine magische Anziehungskraft auf mich ausübt und ich mich vom Anblick kaum lösen kann. Alle Kinder von Puerto Rico werden im Laufe ihrer Schulzeit hierhergeführt und während der Führung dazu angeregt, Träume zu haben, große Träume zu haben – und dazu einen erfahrenen Lehrmeister, der ihnen bei der Umsetzung zur Seite steht! Hier wurden auch die Filme Golden Eye mit James Bond und der Film Contact mit Judy Foster gedreht.

Unsere Monstertour durch Puerto Rico führt uns weiter in die Höhlenwelt der Cuevas de Camuy, die von den Tainos, der hiesigen Urbevölkerung, als rituelle Plätze genutzt wurden. Für die Hintergrundmusik mit hohen Pfeiftönen zeichneten Coquis, winzige braune Regenwaldrösche verantwortlich. Von den Tainos sind auch andere Zeremonienplätze mit wiedererrichteten Ballspielplätzen und gravierten Steinen erhalten geblieben und natürlich von uns besichtigt worden. Auch die Kaffeeplantagensuche erwies sich, wie schon berichtet, als erfolgreich. Wenn es dunkel wird, kehren wir zur Kali Mera zurück und starten jeden neuen Tag von dort aus. Weil wir immer neue Straßen suchen, brauchen wir dann zum Beispiel zum Canyon San Cristobal anstatt der veranschlagten zwei gleich fünf Stunden. Wie haben sie diese Wahnsinnstrassen gebaut, die fast senkrecht hinauf bis zu den höchsten Berglandschaften Puerto Ricos führen? Wir wollen schon fast umdrehen, doch ermutigt durch seltene entgegenkommende Autos führen uns diese engsten und steilsten Straßen (wenn sie sich so nennen dürfen) durch Landschaften und an Orte, von denen wir uns nicht hätten träumen lassen. Oben angekommen bleiben wir stehen, das Land liegt vor uns ausgebreitet, sanfte Hügel auf über 1000 m Höhe, der Blick wandert scheinbar ins Unendliche, und die Seele will ihm nach! Auf die Anhöhe kommt man nur zu Fuß – ein dort ansäßiger pensionierter Polizist erlaubt uns, durch sein Grundstück zu gehen und gibt mir noch dazu eine Führung in Nutzpflanzenkunde – die ich leider nicht mehr wiedergeben kann. Die Menschen bauen sich hier große Häuser, pflegen und bewirtschaften das Land und fahren von dort in die umliegenden Städte zur Arbeit.

Wir müssen uns losreißen, sonst kommen wir nie an – wir sind schon seit Stunden unterwegs – doch wie heißt es doch so schön – der Weg ist das Ziel.

Da liegt doch Guavate am Weg, der Ort, der für sein köstlichstes Lechon bekannt geworden ist – an so einem Spanferkel kann Herbert nicht vorbei! Für mich bleiben immer noch die spannenden landestypischen Beilagen – und den Flan kann ich mir dann auch nicht verbeißen. Danach geht die Jagd nach einem unbedingt notwendigen Nachmittagskaffee los. Unverständlich, dass die ihren Kaffee bis nach Wien und Paris verschiffen, wo er als der beste weltweit gilt, ihn selbst aber nicht zubereiten können – außer bei den Kaffeeplantagen selbst. Kaffee? Nein, den gibt´s hier nicht! Fündig werden wir durch meinen weiblichen Weitwinkelobjektiv-Blick, in einer Kurve streift die Espresso Werbung einer Bäckerei meine Wahrnehmungsrezeptoren…

Endlich beim Canyon – aber wo ist er nur? Diesmal erhalten wir von mehreren Menschen eine ähnliche Wegbeschreibung (das ist in Puerto Rico gar nicht selbstverständlich, Auskunft kriegt man zwar immer, doch hat sie im seltensten Fall etwas mit der Frage zu tun). Herbert wäre schon fast umgekehrt, denn der Weg wurde uns als so gefährlich beschrieben, dass sich überhängende Felsen und unwegsames Gelände vor unserem geistigen Auge materialisierten, doch letzten Endes findet mein Pfadfinder nach mehrfachen Versuchen den Weg in die Schlucht. Tatsächlich führte ein Karottenzwergwegelchen in die Tiefe, und die gefährlichen Steine entpuppten sich als ein ausgetrocknetes Flussbett, das ohne Schwierigkeiten zu begehen war – wir waren völlig allein – und über uns 300m senkrecht aufragende Felsen!

Wir haben auch die heißen Quellen Baños de Coamo gefunden – angeblich der Jungbrunnen des Ponce de Leon (für Eingeweihte: siehe Fluch der Karibik, Teil 4)! Zwei Zwergenpools, nicht größer als der vierte Teil des Heißbeckens in Kehida (Herberts ungarischer Lieblingsgarkochtopf für Menschenfleisch), in denen sich die einheimischen Gäste noch zur Abendstunde wie Sardinen drängten! Ein vielsagender Blick genügte – das wäre zu viel der Liebe! Also rein in den Jeep und nach Hause unter die Dusche!

Zum krönenden Abschluss unserer Landreise haben wir die Besteigung des Pico de Yunque, den höchsten Berg, mitten im Regenwald des El Yunque Nationalpark erwählt, knappe 1100m hoch. Natürlich fängt es zu regnen an, anfangs sporadisch, doch schon bald steigen wir durch einen Dauerregen nach oben. Die Wassermengen im Regenwald vermehren sich in kürzester Zeit ums vielfache und Wasser rinnt nun in Bächen über die Wege, von den Bäumen und über die Felsen. Nasser konnte es sowieso nicht mehr werden, also halten wir durch und kommen wieder einmal völlig durchnässt zurück. Aber auch richtiggehend energetisiert – denn um nicht zu erfrieren, sieht man uns auf dem Rückweg im Laufschritt durch den Regenwald springen und hüpfen!

Am nächsten Tag verlassen wir die Marina und nehmen Kurs auf die Insel Vieques, Punta Arena. Obwohl es uns ordentlich hin und her rollt, trinken wir unseren original puertoricanischen Kaffee mit Kuchen. Über Sandgrund und glasklarem Wasser lassen wir den Anker fallen. Es ist völlig ruhig, der starke Wind der letzten Tage lässt nach, und auch wir können uns fallen und die Eindrücke der letzten Tage in uns nachwirken lassen.

Espresso auf Puerto Rico

Wir sind im Land der Kaffeebohne. Puerto Rico hat eine großartige Geschichte als Lieferant exklusiver Hochland Kaffee-Sorten, hier wurde der feinste Kaffee für Europas Kaffeefreunde angebaut, geröstet und verschifft. Der Reichtum Puerto Ricos war auch auf dieses Exportgut zurückzuführen, große Haciendas mit gediegenen Herrenhäusern und riesigen Anbauflächen bestimmten das Landschaftsbild, und Kaffee wurde mit Stil und Können zubereitet und genossen (das war aber vor dem spanisch-amerikanischen Krieg, in dem Ende des 19. Jahrhunderts die vereinigten Staaten sich Puerto Rico einheimsten und es danach mit Mc Donalds, KFC, Wendys und Burger King sowie amerikanischer Kaffee-Kultur überschwemmten).

Als große Verehrer dieses Getränkes steht für uns natürlich eine Entdeckungsreise zu den Anbaugebieten am Reiseplan, quer durch diese traumhafte Landschaft führt uns unsere Route, die Berge präsentieren sich im grünen Kleid, es gibt alle vorstellbaren Schattierungen von Grün, Bananen wachsen auf der Alm neben Kokospalmen, Papayas, Mandarinenbäumen und natürlich auch Kaffee-Sträuchern.

Voller Vorfreude auf einen würzigen Espresso direkt vom Winzer brechen wir schon ganz in der Früh auf, unseren morgendlichen Koffeinbedarf wollen wir schon beim Erzeuger decken (wie ja schon allgemein bekannt braucht Tadeja für die gute Laune einen dazu passenden Kaffee, und wehe es gibt keinen). Nachdem dann die Fahrt viel länger wird als gedacht, müssen wir einen Notstop einlegen und versuchen ein „landestypisches Frühstück“ beim Burger-King (auf der Werbetafel war „Espresso Puerto Rico“ zu lesen), es gab mit Ei und Rindfleisch gefüllte Croissants, dazu in Altöl frittierte künstliche Erdäpfel und „Espresso“.  Der Kaffee (doppelter Espresso!) wurde in Plastikbechern serviert, mit Deckel und Strohhalm (!!!), und war absolut grauenhaft. Eine bräunliche fade Suppe, Kaffee D30, mit Milchpulver, ein Guantanamo würdiges Attentat auf die verwöhnten Kafferezeptoren von Tadeja, eine unmenschliche Grausamkeit. Aber so leicht gibt sich Tadeja bei wirklich wichtigen Dingen nicht geschlagen, da wird gekämpft, auch wenn es scheinbar ein Kampf gegen Windmühlen ist, dagegen war der alte Don Quichote ein blutiger Anfänger. Der Kaffee wird zurückgebracht und umgetauscht (und zwar mehrfach), erst der dritte Kaffee, der von dem bemitleidenswerten Burger-King-Mädel dann nach exakten Anweisungen Tadejas hergestellt wird, findet Gnade. Es ist Tadeja anscheinend gelungen, binnen fünf Minuten die 119 Jahre amerikanische „Besatzung“ – zumindest was das Kaffee-Brauen betrifft – wieder einigermaßen rückgängig zu machen.  Nicht viel besser ist es später den netten Bediensteten einer kleinen Konditorei mitten im Bergland ergangen, diese mussten für den Fehler, auf einem Plakat „Espresso“ anzubieten, ebenfalls büßen und bekamen von Tadeja eine ordentliche Nachschulung verpasst. Der dritte Versuch war auch dort dann zumindest schon trinkbar (wenn man vom obligatorischem Styropor-Becher absieht, es ist so als wenn die Winzer im Burgenland beim Heurigen den Wein nur noch im Wegwerf Plastik ausschenken würden).

Trotz aller Rückschläge dieser Art gibt es dann doch noch ein Happy End – wir besuchen im Hochland eine Hacienda, die für den selbst angebauten Kaffee weithin bekannt ist, und genießen im netten „Gastgarten“ gleich neben den Kaffeebüschen einen wunderbaren frischen Espresso, vollmundig, perfekt zubereitet und so geschmackvoll, dass wir gleich zwei Kilo Kaffee erwerben und wie einen Schatz zurück zur KALI MERA bringen. Mitten in der Plantage sitzen, großartigen Kaffee trinken und dabei den Blick über die wunderschöne Landschaft streichen zu lassen, das entschädigt für so manchen heimtückischen Versuch uns braunes Abwaschwasser Americano zu servieren. Letztendlich setzt sich doch das Gute in der Welt durch…

St. Martin bis Puerto Rico

Nachdem Denisa und Gerhard wieder nach Österreich zurückgeflogen sind machen wir uns daran, die KALI MERA für die Weiterreise vorzubereiten. St. Martin ist der Yacht Konsumtempel der Karibik, hier gibt es (fast) alles an Ausrüstung was man sich vorstellen kann. Island Waterworld und Budget Marine haben hier ihre Zentralen und weitere Yacht-Shops gibt es an jeder Ecke.  Wir decken uns hier mit diversen Ersatzteilen ein, die wir in abgelegeneren Teilen der Welt wohl nicht mehr erhalten können, und auch wenn es nur immer Kleinigkeiten sind, müssen wir aufpassen, dass die Boardkasse nicht ein Loch bekommt. Warum muss alles nur dreimal so teuer sein wenn man es auf einer Yacht einbauen kann? Aber mit etwas Herumsuchen finden wir manche Teile auch im normalen „Autozubehörhandel“ zu leistbaren Preisen. Als einzige Großinvestition kaufen wir uns ein neues Ultralight Dinghi, Aluminiumboden und Hypalon Schläuche (wir erhalten einen Sonderpreis weil wir darauf verzichten unser altes einzutauschen, es wird dann beim Second Hand Shop versetzt) und unseren Reserve-Außenborder erwerben Gabi und Michael von der LA JOYA, auch sie haben beim Dinghi Händler zugeschlagen und sausen nun im gleichen Modell wie wir herum.  Endlich können wir die 10 PS voll auskosten ohne dass wir Angst haben, dass es den Motor-Spiegel ausreißt, so eine Freude!  Die Abende verbringen wir mit den Crews der SEVEN SEAS und der LA JOYA, es ist eine gemütliche Zeit in der Marigot Bay. Als der Wind etwas auffrischt und die Überfahrt zu den British Virgin Islands (BVI) günstig ist, brechen wir auf, wir treffen uns dort mit Christina und Hanns, unsere neue „Crew-Ergänzung“. Zu viert tingeln wir durch die BVIs, dann geht es weiter in die US Virgin Islands und von dort wieder zu zweit weiter nach Puerto Rico.  Die Virgin Islands sind landschaftlich wunderschön, traumhafte Buchten mit türkisem Wasser und trotz der vielen Charteryachten und Bojen finden wir überall schöne Ankerplätze, obwohl uns der intensive Chartertourismus fast etwas zu viel ist, es ist ein St. Anton mit Wasserskiern und wir bleiben daher nur einige Tage dort.

Nachdem wir kein US Visum hatten mussten wir mit einem Trick in die Vereinigten Staaten einreisen, zuerst einmal „Inselhopping“ mit der Fähre von den BVIs in die USVIs (von Tortola nach St. John) und damit als Tagestouristen in die USA einreisen, mit dem dabei erworbenen Einreisestempel können wir dann auch mit der KALI MERA drei Monate lang ganz offiziell die USA besuchen. Mit der Aktion haben wir viel Geld gespart, weil wir das teure amerikanische Visum in Wien nicht erwerben mussten (Vorsprechen bei der Botschaft, Pass für einige Zeit abgeben, viele 100 Euro zahlen…). Hätte ich im Geographie-Unterricht besser aufgepasst, dann hätte ich gewusst, dass Puerto Rico zu den USA gehört (zumindest so gut wie) und uns das Visum daheim besorgt, so mussten wir halt improvisieren und sind damit letztendlich sogar besser gefahren. Jedenfalls hat uns Puerto Rico nun offiziell aufgenommen, und wir haben uns in die Marina Puerto del Rey gelegt damit die KALI MERA sicher liegt, während wir jetzt mit dem gemieteten Jeep das Land erkunden (bisher sind wir ja ausschließlich an Ankerplätzen gelegen, ist einmal eine ganz neue Erfahrung so in einer Marina sein, mit Duschen und dem ganzen unnötigen Luxus…).  Ein neues Karibik-Kapitel beginnt für uns, voller Vorfreude stürzen wir uns auf die großen Antillen!