Wir drehen Runden

„Ältere Störche kommen schneller ans Ziel – Erfahrung bringt Weisheit“ – war vor einigen Tagen in der Zeitung zu lesen. Das dürfte wohl zum Teil auch für uns menschliche Zugvögel gelten, diesmal war die Reise ins Winterquartier nach Mexiko besonders schnell und unproblematisch, am 28.12.23 war unser Abflug aus Wien und am 2.1.24 war die KALI MERA schon auf Hoher See unterwegs nach Süden. Von Weisheit sind wir zwar weit entfernt, aber mit Boot – Auswintern und startklar machen haben wir schon reichlich Erfahrung. Alle Systeme laufen, unser Sorgenkind vom letzten Jahr – der Volvo – springt sofort an und läuft ohne Probleme. Wie immer haben wir die Reisetaschen voller Ersatzteile. Sofort montiert werden der neue Abgaskrümmer und der Auspuff-Schlauch für den Volvo, der Rest wird Stück für Stück im Laufe der kommenden Wochen in Angriff genommen.

Unsere diesjährige Fahrt führt uns nicht zu neuen Ufern, wir drehen wieder einmal eine Runde. Das sechste Jahr sind wir nun in Mexiko, und ebenso viele Runden haben wir hier hinter uns. Vor vielen Jahren, fast schon einer Ewigkeit, sind wir in Kroatien im Kreis gesegelt, mit dem Charter-Boot, für ein bis zwei Wochen. Dann drehten wir Runden in Griechenland, mit unserer MINERVA, jetzt größer und länger geworden, und dennoch immer noch Runden. Und der Wunsch – endlich nicht mehr im Kreis zu fahren, sondern immer weiter – weiter nach Westen – ist übermächtig geworden. Und hier im Pazifik, nach Mittelmeer, Atlantik und Panama-Kanal, beschleicht uns leise und langsam das Gefühl, dass wir wieder in einer Runde gelandet sind, einer sehr großen halt. Wir werden die Runden nicht los. Von den ganz kleinen, wenn wir uns täglich mehrfach um den Anker drehen, und den großen, wenn wir von Mazatlan aus in den Süden oder in den Westen fahren und am Ende wieder in unserem Yacht Club, unserem Ausgangspunkt landen. Bis zu den sehr großen, wenn wir mit der ganzen Erdkugel immer wieder um die Sonne rasen, und auch die Sonne selbst – mit ihren ganzen rotierenden Anhängseln – dreht ihre eigenen Runden… . Und auch wenn wir glauben, dass unsere Reise vom plötzlichen Auftauchen auf der Welt bis zum wieder daraus Verschwinden eine rein lineare Angelegenheit sei, wer weiß welche Runde wir da in Wirklichkeit drehen. Runden sind eigentlich gar nicht so schlecht.

Diesmal führt uns die Route nach Süden, die Pazifik-Küste entlang, wir segeln ohne Zeitdruck, bleiben dort wo es uns gefällt und ziehen mit dem Wind weiter. Jeden Tag begegnen wir Buckelwalen, vielfach Muttertieren mit ihren Kälbern, und hin und wieder hören wir sie singen, vor allem in der Nacht, wenn uns die zarten Töne der sanften Riesen in den Schlaf begleiten.

Auf Isla Isabella, dem Vogelparadies, bleiben wir einige Tage und wandern durch das unbewohnte Naturschutzgebiet. Hier brüten unzählige Fregattvögel und Tölpel ohne Scheu vor den Menschen, so muss es im Garten Eden gewesen sein, bevor Eva unbedingt in den Apfel beißen musste.

Nächster Halt: “Banderas Bay -La Cruz”. Dort treffen wir unsere Freunde von der ALACRAN, die uns mit den Neuigkeiten in der La-Cruz-Gastronomie vertraut machen, immerhin sind wir schon zwei Jahre nicht mehr hier gewesen.  Dann ist Segelpause für eine Woche angesagt, bis der neue Gefrierschrank, den wir kurzerhand bei Amazon bestellt haben, zur Marina geliefert wird. Der alte hat – kaum dass wir ihn mit den am wunderbaren Fischmarkt von La Cruz erworbenen Köstlichkeiten (Tuna-Filets, Mahi Mahi und blaue Shrimps) gefüllt haben, den Geist aufgegeben. Unsere Beute kommt – bereits eingefroren – in den Kühlraum des Fischgeschäfts zurück bis wir den neuen Freezer an Board haben.

Die Wartezeit nutzen wir für einen Abstecher mit dem Mietwagen nach Guadalajara und Tequila im Hochland von Mexiko. Die Hauptstadt Jaliscos hat uns beim letzten Besuch schon begeistert, und auch diesmal sind wir von der zweitgrößten Stadt Mexikos äußerst angetan. Guadalajara mit seinen schönen Plätzen, den beeindruckenden Gebäuden aus der Kolonialzeit und den farbenfrohen Märkten ist wunderbar lebendig und entspannt zugleich. Wir logieren in der Nähe der Kathedrale in einem frisch renovierten Kloster, einer ruhigen Oase mitten im Zentrum. In Tequila besuchen wir zwei Destillerien, die größte und modernst ausgestattete Tequila Fabrik Mexikos – Sauza, und Cascahuin, einen der ältesten Traditionsbetriebe. Bei beiden Anlagen erhalten wir eine private Führung mit anschließender Tequila-Verkostung – und bei beiden „Hofläden“ decken wir uns mit dem Agaven-Drink ein, als wollten wir einen Spirituosen-Laden eröffnen. Tequila wird uns in den nächsten Jahren auf der KALI MERA nicht ausgehen… .

Zurück in La Cruz wird der neue Gefrierschrank eingebaut und unsere Fisch-Spezialitäten übersiedeln zurück auf die KALI MERA. Wir hingegen segeln weiter nach Süden, in mehreren Tagesetappen in die wohl schönste Bucht der mexikanischen Pazifik-Küste, Tenacatita.  Vor Anker liegend ist hier ausreichend Zeit für einige Reparaturen und technische Verbesserungen am Boot. Der Dieselgenerator läuft seit zwei Jahren nicht mehr sauber, bei hoher Last qualmt er dunkel, er stottert und der Luftfilter verölt. Das Serviceteam des Herstellers Fischer-Panda vermutet einen Schaden am Zylinderkopf, ich denke eher, dass es mit der Abluft zusammenhängt. Einen Tag lang hocke ich in der Backskiste und kämpfe mit den festgerosteten und vernudelten Schrauben vom Abgaskrümmer (da hat anscheinend vor mir schon einer herumgepfuscht). Als ich den Übeltäter dann endlich in den Händen halte (den Krümmer, nicht den Pfuscher), ist alles klar, der Auspuff ist mit Ablagerungen zugewachsen, eine Art schwere Bronchitis also.  Nachdem ich das Zeug mit dem Schraubenzieher „herausstemme“ und den Kanal wieder öffne, läuft der Generator wieder „wie ein Glöckerl“.

Hier in der Tenecatita bekommen wir Besuch, unser Sohn Timi verbringt zwei Wochen am Boot und wir freuen uns, ihn hier verwöhnen zu können. Gemeinsam segeln wir nach Barra, machen einen Ausflug zum secret beach, einer wildromantischen Bucht, in der tosende Wellen gegen den steilen Sandstrand donnern. Alle wollen Schwimmen, einer (Überraschung: Herbert!) muss probieren ob es gefährlich ist, dann wagen sich alle hinein. Der Ankerplatz vor Las Hadas in Manzanillo wird heuer unser südlichster Punkt – denn wir müssen zum “Carnaval”, den großen Umzug sehen – und von dort aus geht es für Timi leider auch schon wieder zurück nach Hause.

Wir sind wieder “allein daheim” und verholen uns zurück in die Tenecatita, um dort noch ganze drei Wochen Meer, golden glitzernden Sand, Marktbesuche im gegenüberliegenden La Manzanilla zu genießen und vom privaten “Mirador“ (spanisch für Aussichtspunkt) balzende Kormorane und riesige Vogelschwärme bei der Jagd zu beobachten. In den Morgenstunden ist auf der KALI MERA „Bürozeit“ und wir arbeiten – Starlink-sei-Dank – mit ausgezeichnetem Internet, der Rest des Tages ist Freizeit. Abends treffen wir uns mit anderen Seglern, manchmal gibt es ein Lagerfeuer mit Wein, Tanz und Gesang am Strand, hin und wieder grillen wir frischgefangenen Fisch. Es ist paradiesisch schön hier, ein kilometer-langer naturbelassener Sandstrand, türkises Meer, eine kleine Palapa im Palmenhain und ein völlig geschützter ruhiger Ankerplatz.

Zwischenzeitlich ist es März geworden, die Segelsaison hier an der „Goldküste“ geht langsam zu Ende, aufkommender Südschwell lässt immer öfter hohe Wellen an den Strand rollen, und für uns bedeutet dies das Signal, wieder die Rückreise nach Norden in Angriff zu nehmen, zwar wehmütig, aber auch schon wieder voller Vorfreude auf das Wiedersehen mit Familie und Freunden daheim in Österreich. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehen wir Anker auf….

Und er dreht sich doch!

Wie eine Nähmaschine schnurrt er, unser Volvo. Zugegeben, wie eine alte, ziemlich laute Nähmaschine, aber er schnurrt. So ein angenehmes Rattern, wohliges Brummen, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass mich der Motorenlärm früher jemals gestört hätte. Und er läuft besser als je zuvor, Rob und Mario haben ausgezeichnete Arbeit geleistet.

Natürlich ist das Ganze nicht ganz glatt gegangen. Zuerst sind wir eine Woche am unruhigen Ankerplatz und warten auf einen Platz in der Marina. Um Zeit zu sparen wurde die Pumpe noch am Ankerplatz von Rob ausgebaut, damit Mario sie unter seine Fittiche nehmen kann.  Mario betreibt in La Paz eine Spezialwerkstätte für Einspritzpumpen, er zerlegt das Teil und stellt fest, dass er sie nicht reparieren kann, Teile sind innen gebrochen (wohl aufgrund einer alten nicht professionellen Reparatur), wir brauchen eine neue. So eine Einspritzpumpe ist so ziemlich das Teuerste was man beim Motor tauschen kann, unerschwinglich als Neuteil, wenn man überhaupt noch eine bekommt (unser Volvo ist immerhin 28 Jahre alt). Aber Rob und seine Frau Kim finden eine beim „graveyard of engines“ (beim Alt-Teile-Tandler am Boots-Schrottplatz). Mario prüft und stellt fest, dass das Modell nicht passt, zu jung! Kim und Rob suchen weiter und finden eine Pumpe, die zu Modell und Baujahr passt. Mario zerlegt wieder und macht aus zweien eine. Zusätzlich serviciert er die Einspritzdüsen, das war sowieso schon längst überfällig. Dabei gehen die Tage dahin, unsere Nervosität steigt, wir müssen zurück nach Wien, und außerdem wissen wir noch gar nicht, ob der Motor nach dem Einbau der reparierten Pumpe überhaupt funktioniert, oder ob uns der Lord Voldemort der Mechaniker letzte Woche den Rest zerstört hat. Jeden Tag behandle ich auf Anweisung von Rob die Zylinder und Kolben mit Spezial-Spray, damit nur nichts zu rosten beginnt. Die milchige Brühe, die einmal Motoröl war, habe ich sofort gewechselt, und die Ventile und Federn zum Rostschutz mit Robs Wundermittel eingesprüht.  

Als ein Platz in der Marina Palmira frei wird segeln wir bis vor die Einfahrt, dann schleppt uns Rob zu unserem Liegeplatz. Fünf Tage reservieren wir in der Marina, dann müssen wir fertig sein, sonst schaffen wir die Rückreise nach Mazatlan und den Flug nach Wien nicht mehr. Und wir haben Glück im Unglück, am letzten Tag baut Rob alles zusammen. Der Motor springt sofort an und läuft besser als zuvor.  Herr Volvo bekommt von mir noch zwei weitere Ölwechsel verabreicht, dann wird er als geheilt entlassen.

Kim und Rob von Crossmarine waren ein Geschenk des Himmels, nicht nur dass sie das Problem mit großem Engagement und höchster Professionalität behoben haben, auch menschlich haben uns die beiden tief beeindruckt. Letztendlich hätte es wohl auf der ganzen mexikanischen Pazifik-Küste in dieser Situation keinen besseren Platz für uns gegeben als La Paz. Glück gehabt, Ende gut, alles gut 😊

Es läuft nicht rund

Es läuft nicht rund! „Es“ ist unser Motor, Volvo MD22, eigentlich ein Perkins Prima M50, aber grün lackiert.  Schon bei der Ankunft in der Bahia de los Muertos hat er uns im Stich gelassen – in der Nacht, als wir unter Maschine in die Bucht einlaufen und er beschlossen hat, sich ohne „Motor-Aus-Kommando“ einfach abzuschalten. Er springt dann auch nicht wieder an, ein klarer Fall von Meuterei, das hatten wir noch nie!  Sofort lassen wir den Anker fallen, zwischen den anderen Booten, der Platz passt perfekt und wir fahren unser ruhigstes Ankermanöver seit 15.000 Seemeilen, fast lautlos.

Zwei Nachtfahrten liegen hinter uns, ich habe fast nicht geschlafen und mich auf die Koje gefreut und dann das. Ein sofortiger Reparaturversuch wird gestartet, ich weiß, dass ich nun sowieso nicht einschlafen kann. Es kann nur an der Treibstoffversorgung liegen, aber alles schaut ok aus. Ich tausche die Dieselfilter, entlüfte den Motor, versuche zu starten – aber im Gegensatz zu mir schläft der Motor tief und fest. Eventuell die Dieselpumpe? Da habe ich sogar eine in Reserve, ich baue sie ein, entlüfte und starte nochmals, aber weiterhin wird die stille „Bucht der Toten“ nicht von Motorlärm gestört. Entnervt gebe ich noch einmal Vollgas, noch ein Startversuch – und er springt an. Er funktioniert! Unser Motor läuft, er war nur müde, jetzt ist er wach!

Ich bin sehr mit mir zufrieden, anscheinend wird noch ein echter Mechaniker aus mir, ich habe den Fehler gefunden, die Dieselpumpe getauscht, Nerven bewahrt, Gas gegeben und alles repariert. Adieu Bucht der Toten, weiter geht’s zurück ins Seglerleben!

Zwei Wochen lang läuft der „Murl“ ohne irgendwelche Macken, er freut sich wohl über die neue Dieselpumpe. Aber dann, wir wollen Anker auf gehen, der Motor springt sofort an – und geht dann wieder aus. Ich habe keine weitere Pumpe mehr, also versuch ich es sofort mit Starten bei Vollgas – und er läuft, als ob nichts gewesen wäre.

Anscheinend werden sich in einer langen Beziehung nicht nur Hunde und Ihre Menschen immer ähnlicher, vielleicht ist es auch mit dem Boot so? Ich brauch Kaffee, er braucht Vollgas in der Früh!

Und weitere zwei Wochen verbringen wir, Tadeja, der Motor und ich, in großer Harmonie. Und wie bei jedem Segel-Urlaub kommt irgendwann der Tag, an dem die Rückreise beginnt. Motor starten, Anker auf, Segel setzen, heimwärts geht’s. Bei der Seelöwen-Kolonie machen wir einen kurzen Anker-Stop zum Schnorcheln mit den possierlichen Tieren, und zurück an Board beginnt das alte Spiel von Neuem.  Ich starte, der Motor schläft. Nicht einmal Vollgas kann ihn aufwecken, und diesmal ist es wirklich unangenehm, wir bräuchten den Motor dringend, noch ist ja ruhiges Wetter, aber bei der Abend-Brise wird der Ankerplatz unhaltbar werden, wir liegen dann auf Legerwall.  Wir müssen also hier weg, gehen unter Segel Anker-Auf und kreuzen uns bei zwei Knoten Wind von den Riffen frei. 

Dann beratschlagen wir wohin es nun weiter gehen soll, wir checken den Wetterbericht und entscheiden dann nach La Paz zu segeln, auch wenn die Bedingungen dazu alles andere als günstig sind. Aber in La Paz gibt es Rob, einen Mechaniker mit gutem Ruf.

Der Wetterbericht stimmt, zuerst haben wir für einige Stunden 2-5 Knoten achterlichen Wind, aber mit dem riesigen Parasailor rauschen wir mit beeindruckenden 1-3 Knoten Fahrt La Paz entgegen. Dann hört der Wind völlig auf und wir treiben mit beinahe der gleichen Geschwindigkeit wieder dorthin von wo wir hergekommen sind, bis der „richtige Wind“ losgeht, halt von der falschen Richtung. Mit Einsetzen der Dunkelheit kommt eine steife Brise auf und wir kreuzen bei viel Wind die ganze Nacht Richtung La Paz, laufen teilweise mit Rumpfgeschwindigkeit, wieder einmal gibt es keinen Schlaf. Bei Sonnenaufgang kommen wir an, den ausgebaggerten Kanal zur Stadt können wir ohne Motor nicht benutzen, also ankern wir weit draußen, bei den Superyachten, ein einsames kleines Segelboot zwischen den schwimmenden Villen der Milliardäre.

Wir kontaktieren Rob, Rob hat aber aktuell keine Zeit. Und dann machen wir das, wofür ich mir seitdem schon 17-mal versucht habe, in den Hintern zu beißen.  Wir kontaktieren einen anderen Mechaniker und dieser hat sofort Zeit für uns (alleine das hätte uns schon stutzig machen sollen). Ich hole den Meisterschrauber und seinen Adlatus mit dem Dingi von der Luxus-Marina ab, kaum ist er am Boot verschwindet er im Motorraum und beginnt mit der Analyse. Diese besteht hauptsächlich darin, dass er alles aufschraubt was er in die Finger kriegt, der Diesel spritzt gleich so aus allen Leitungen, zwischendurch bekomme ich immer wieder Kommandos, den Motor zu starten. Länger starten, noch länger draufbleiben! Alles in mir sträubt sich, am liebsten würde ich ihn zurückbeamen zur Marina, aber er ist immerhin Mechaniker, und ich kann nur Dieselpumpen tauschen. Bis es plötzlich eine kleine Explosion gibt und der Motorraum voller Rauch ist, und dann geht gar nichts mehr. Er hat es doch tatsächlich geschafft, den Motor trotz abgesperrten Seeventil mit Salzwasser zu fluten und einen Wasserschlag zu verursachen! Meine „Diesel-Motoren-Ratgeber-Bücher“ an Board sind alle der gleichen Meinung, dass das so ziemlich das Schlimmste ist, was man einem Motor antun kann.  Meine Verzweiflung wächst, quasi im Gleichschritt mit den spanischen Flüchen aus dem Motorraum, die immer häufiger und wohl auch deftiger werden. Jede Schraube scheint nun ihren eigenen stillen Widerstand zu leisten. Jetzt ist Schadensbegrenzung angesagt, er baut die Injektoren aus, entfernt das Wasser aus dem Motor – immerhin spritzt sie ihm dabei zweimal ordentlich ins Gesicht, die grauslige Brühe! Sein Sklave muss diese kosten und sagt dann fast genießerhaft „Salzwasser“ (hätte er noch „Jahrgang 2023“ dazu gesagt dann hätte ich ihn wahrscheinlich mitsamt seinem Chef über Board geworfen). Dann wird alles husch-pfusch zusammengebaut (nicht einmal alle Beilagscheiben waren mehr auffindbar in dem Durcheinander, das sie verursacht haben), und schließlich und endlich wird meine anfängliche Vermutung bestätigt: Die Einspritzpumpe arbeitet nicht richtig. Das hätten wir auch ohne das restliche desaströse Werk feststellen können! Ich bin nur noch froh die beiden möglichst schnell vom Boot weg zu haben, zahle sogar ohne Murren, Hauptsache ich sehe sie nie wieder.

Zwischenzeitlich hat sich Rob gemeldet, dem ich die Tragödie per WhatsApp geschildert habe. Er wird sich das ansehen. Als erste Hilfe Maßnahme gibt er uns einen Reinigungs-Spray, den wir in die Zylinder spritzen sollen, um Korrosion und weitere Schäden nach Möglichkeit zu vermeiden. Heute war Rob dann bei uns am Boot, hat mit wenigen Tests festgestellt, dass die Einspritzpumpe nicht richtig arbeitet, hat diese mit den Injektoren ausgebaut und alles zum Reparieren/Servicieren zum Spezialisten gebracht. Ohne Feuerwerk und Wet-Diesel-T-Shirt-Party, ganz unspektakulär. Was sonst noch alles kaputt gemacht wurde, wissen wir noch nicht. Rob ist nett und kompetent, er findet eine Balance zwischen Realität und Hoffnung und sagt, dass der Motor eventuell wieder wird, wir werden sehen. Stück für Stück.  Wie lange es dauert, wissen wir nicht, aber unseren Rückflug nach Österreich haben wir schon verschoben, da brauchen wir wenigstens auch nicht nervös werden, wenn wir lesen, dass derzeit wegen dem Ausbruch des Popocatepetls in Mexiko-City der Flughafen gesperrt ist…

PS: Tadeja hat bei diesem Blogbeitrag gnadenlose Qualitätssicherung gemacht, im ersten Feedback sind die Worte „stümperhaft“ und „Kleinkindergeschreibsel“ vorgekommen. Die Frustrationsschwelle scheint ein klein wenig gesunken zu sein. Der Beitrag wird daher ohne weitere Kontrolle veröffentlicht😊.

Voladores und Pajaritos

Nach eineinhalb Jahren wieder am Boot! Das sonst so vertraute Zuhause fühlt sich fast ein wenig ungewohnt an. So, als wäre man schon lange nicht mehr Schi gefahren und man sich nicht ganz sicher ist, ob man es noch kann – Griffe, Knöpfe und die Dinge in den Staukästchen, nach denen man davor schon ganz selbstverständlich gegriffen hatte, mit denen muss man sich erst wieder vertraut machen. Ach ja, so geht das, und genau, so fühlt es sich an. Es war eine lange Pause, – nicht ganz freiwillig.

Eigentlich wollten wir diesmal den Bug nach Süden gegen Panama richten, haben aber nun spontan noch einmal unsere Pläne umgeworfen und beschlossen ein weiteres Mal zur Baja California in die Sea of Cortez zu segeln.

Mittags brechen wir auf und werden nach zwei Nächten in den Morgenstunden die Bahia de los Muertos erreicht haben, vor uns die unvergleichliche Kulisse der dunklen Felsen der Sierra de los Gigantes über weißem Strand und türkisgrünem Meer.

Sie empfängt uns freundlich, die See, sanft kräuselt sie ihre dunkler werdende metallen schimmernde Oberfläche. Trotzdem schmeckt das Essen in den ersten zwei Tagen während der Überfahrt nicht so richtig, die Segelbeine müssen uns erst wieder wachsen.

Ich versenke den Blick in den Weiten des Horizonts, lasse die See in meine Seele, verschmelze mit ihr. Sie fließt durch mich hindurch, beruhigt meine Gedanken und meine Gefühle, hilft mir loszulassen, mich dem Wind und dem Wetter, dem Wechsel der Gezeiten anzuvertrauen. Der Mensch – ein kleiner Punkt im unendlich scheinenden Universum, und jeder Punkt ein ganzer Kosmos. Wie dankbar bin ich, ihn erleben zu dürfen!

Der Mensch ist zwar schon ins All vorgedrungen, aber die Tiefen des Meeres sind ihm nach wie vor ein Geheimnis geblieben. Uns zeigt das Meer seine Bewohner diesmal nur zögerlich, da und dort spritzt es auf, wenn ein Rochen eine Pirouette schlägt, ein Fregattvogel im rasenden Sturzflug in die Fluten schneidet, oder wir sehen einen Vogel der auf einem Schildkrötenrücken zu balancieren versucht. Die meisten Buckelwale sind bereits zurück in den Norden gezogen, wo sie die heißen Monate im kühlen Alaska verbringen werden, und Delfine lassen sich vorerst auch nicht blicken.

Langsam schieben sich Bilder von unserer letzten Landreise vor 1,5 Jahren in mein Gedächtnis. Bevor wir 2021 kurz vor Weihnachten heimgeflogen sind, haben wir ein paar Ziele, diesmal im Norden von MXC gewählt, um wieder ein Stück dieses großartigen Landes kennenzulernen.

Unsere erste Station führte uns nach Teotihuacan, einer prähistorischen Pyramidenstadt. Jede dieser Pyramidenstätten besteht zwar aus ähnlichen Elementen, doch überrascht jede durch ihre ganz besondere Bauweise. Wir schlendern vorbei an der imposanten zweitgrößten Pyramide des nordamerikanischen Kontinents, der Sonnenpyramide, die sogar die drittgrößte der Welt sein soll, über die angeschlossene Plattform, die möglicherweise als Zeremonienplatz gedient hatte. Über die Stufenmauer nach unten gelangen wir auf die gut 10 Meter breite Straße der Toten, die direkt zur ein paar Jahrhunderte später errichteten Mondpyramide hinführt. Gesäumt wird sie nicht nur von mehreren stufenartig angeordneten Gebäuden, sondern auch von einer langen Reihe von Ständen, an denen rege Händler ihre Souvenirs feilbieten und unter der Hand sogar „echte antike Fundstücke“, die sie auf den angrenzenden Feldern selbst ausgegraben haben, aus ihren geheimen Taschen hervorkramen. Herberts ungläubige Blicke konnten mich aus ihren Fängen befreien!

Gerne wären wir mit einem der Heißluftballons über die Stätte geflogen und hätten von oben auf sie herabgesehen, doch dafür waren wir zu spät dran, und einen weiteren Tag wollten wir nicht bleiben – so blieb uns nur die Sehnsucht und der Blick von unten auf die bunten schwebenden Ballons mit dem eigentümlichen Gefühl, in ein Märchenbuch hineingefallen zu sein. Wir werden wiederkommen!

Weiter ging es Richtung Osten, Richtung Karibik. Das Städtchen Ciudad de Cuetzalan mit seinen verwinkelten Sträßchen, die sich auf dem Weg zu unserem malerischen Hotel auf und ab und links und rechts winden, empfing uns mit einem warmen karibischen Regenguss! Immerhin konnten wir zum Einchecken direkt vor dem Hotel stehen bleiben, das wir dabei den Verkehr völlig blockierten störte anscheinend niemanden. Das ist eben Mexico! Unser Auto wurde dann ein paar hundert Meter weiter irgendwo sicher untergestellt.

Ohne es geplant oder gewusst zu haben, sind wir wie verabredet an einem besonderen Ort zu einem besonderen Zeitpunkt gelandet. Hier wird alljährlich in den Oktobertagen eine unglaubliche Attraktion, die auf alte Zeremonien und Mythen zurückgeht, aufgeführt. Es wird nichts groß angekündigt und man zahlt kein Eintrittsgeld – man weiß es einfach und versammelt sich – und wir mitten drin!

Am Platz vor der Kirche, der einseitig von an ein Amphitheater erinnernden Treppen gesäumt ist, auf denen Einheimische ihre Waren anbieten, Kräuter, Vanille, Stoffe, tropisches Obst und Gemüse, Holzgegenstände – ragt ein mit dem Kirchturm konkurrierender Baumstamm in die Höhe, einem Maibaum vergleichbar. Langsam und ohne jegliche Hektik versammeln sich fünf Darsteller in einer Ecke des Platzes und beginnen sich, als hätten sie sich zu einem Abendkränzchen eingefunden, gemächlich umzuziehen. Sie kleiden sich in traditionelle bunte Gewänder – einer von ihnen wird ein Adler mit riesigen Schwingen sein. Tanzend, begleitet von der Flöten- und Trommelmusik des Caporals, der die Sonne symbolisiert, bewegen sie sich auf den Stamm zu und klettern dann einer nach dem anderen völlig ungesichert nach oben, wo eine kleine Plattform, gesäumt von einem quadratischen Gerüst, gerade Platz genug zum Stehen für nur einen Menschen bietet. Die anderen platzieren sich um das Gerüst, die Beine gegen den Mast gestemmt. Dort ganz oben vollführt der Adler unter höchster Konzentration einen Tanz – ungesichert auf 31m Höhe – grüßt in alle vier Himmelsrichtungen, beugt sich mit ausladenden Schwingen weit nach hinten, während sich die Voladores, die fliegenden Repräsentanten der vier Winde, ihre Knöchel mit Seilen umwickeln, die dazu bereits feinsäuberlich um den Stamm gewunden vorbereitet gewesen waren. Jetzt bringen sich alle in Position und lassen sich auf ein Zeichen hinten über in die Seile fallen. In exakt 13 Umdrehungen „fliegen“ sie langsam zur Erde, wie ein lebendes Karussell. Damit vollziehen sie nach dem indigenen Kalender der Xiuhmolpilli genau ein Zeitalter. Denn werden die 13 Umdrehungen mit den 4 Voladores multipliziert, ergibt sich die Zahl von 52 Jahren, die ein solches Zeitalter umfasst. Diesen immer noch lebendigen Mythos zur Entstehung der Welt konnten wir hier miterleben!

Und schon kehrten wir der feuchten Wärme, deren kurzes Einatmen all die Erinnerungen an unsere Zeit in der Karibik wach werden ließ, wieder den Rücken und gaben unserem GPS die Koordinaten für Cantona ein. Schon im 2 Jahrhundert ante domini errichtet gehört sie mit ihrer Fläche von fünfzehn Quadratkilometern zu einer der größten mesoamerikanischen archäologischen Stätten – erst wenige Prozent der gesamten Anlage wurde bisher ausgegraben. Während wir durch die Ruinen wandelten, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus – mühelos ließ sich das einstige Leben und Treiben in unserer Vorstellung rekonstruieren, die Straßen waren noch gut erhalten, hier war einst ein großes Handelszentrum, und Cantonas wichtigste Ware der Obsidian. Wir passierten unzählige Ballspielplätze, von denen es anderswo nur ein oder zwei davon gab, hier jedoch insgesamt 24! Da mussten die Wohnräume der niederen Kasten sein, und dort die besseren Viertel der Reichen, und hierher, zu den für Götter errichteten Tempeln hatten nur noch die Priester und Hohepriester an besonderen Festtagen Zutritt. Und jetzt standen wir an eben diesen Plätzen – nachdem wir gefühlt hunderte Treppen-Stufen erklommen hatten – und überblickten von den Plateaus der Pyramiden aus das beeindruckende Gelände. So unauffällig wie möglich ließen wir unsere Drohne steigen um zu Fotografieren und zu Filmen, aber es dauerte nicht lange, und ein aufgeregter Wächter keuchte die Treppen hoch und wies uns finsteren Blickes auf das „Drohnenverbot“ hin. Wir gaben uns ahnungslos und ein paar entschuldigende und freundliche Worte bewegten ihn schon bald dazu, uns mehr über die alte Stadt zu erzählen. Immer wieder erleben wir, wie die Kenntnis der Sprache ansonsten verschlossene Türen zu öffnen vermag.

Fast übersahen wir die Zeit, wir wollten noch vor Einbruch der Dunkelheit in Puebla sein – man ist in Mexico nach Sonnenuntergang nicht mehr so sicher auf offener Landstraße, unbeleuchtete Fahrzeuge, Tiere und große Schlaglöcher machen das nächtliche Autofahren zum Abenteuer.

Einmal noch durch Puebla schlendern, das uns nach mehreren Besuchen schon gar nicht mehr fremd ist, die kolonialen Bauten auf uns wirken lassen, gut essen, dem Popokatepetl einen Gruß zuwerfen…

Da, plötzlich sehe ich einen Blas, die Fontäne aus Wasser und Luft holt mich aus dem Schwelgen in den Erinnerungen wieder zurück in die Gegenwart. Ist es nicht schon zu spät für die Wale?  Aber da war ein Buckel! Wir fahren näher ran, da zeigt sich der kleine Dicke und schwingt sich mit lautem Prusten unter unser Boot und auf der anderen Seite wieder heraus – und weg ist er!

An diesem Tag winken uns noch eine Robbe, eine Schildkröte, ein paar springende Rochen und viele Wasservögel zu. Pajaritos („Vögelchen“, wie die fliegenden Fische hier liebevoll genannt werden) flattern über die Wasseroberfläche. Der Anker fällt und wir sind angekommen! Dieser Meinung schien auch unser Motor zu sein – aber das ist eine andere Geschichte!

( Beitrag von Tadeja, Fotos folgen 🙂 )

Segelsaison 2022 – Marina, Marina, Marina

Seit über einem Jahr ist der KALI MERA Blog verwaist. Ist unsere einst so lebendige Homepage in Pension gegangen? Schwimmt die KALI MERA noch? Sind wir Landratten geworden? Nein – Ja – ein wenig.

Das Jahr 2022 war kein Segel-High-Light für uns. Ende 2021 haben wir unser Boot nach einer wunderschönen Reise durch die Sea of Cortez wieder wohlbehalten in „unsere“ Marina in Mazatlan zurückgebracht, alles eingemottet und „Hurrikan-sicher“ verstaut.  Dann hängten wir noch einige Tage Landreise an, mit dem Mietwagen ging es durch Gegend zwischen Mexiko City und Vera Cruz an der Karibik-Küste, wir haben alte Steine bewundert, Heuschrecken gegessen, Kaffee gekauft und dann noch kurz „unser“ Puebla besucht. Danach zurück nach Wien, zur Familie, zur Arbeit, zum bürgerlichen Leben. Corona-bedingt haben wir beide in Wien wieder Anker geworfen, Projekte begonnen, die Praxis wieder aufgesperrt, Geld verdient, sind wieder „normal“ geworden.

Der Höhepunkt des Jahres 2022 war die Geburt unseres Enkels Maxi im Juni, ansonsten ist die Zeit bis zum November langsam und zäh dahingeflossen, schwierige Arbeit im Büro, Corona ständig um uns, bedrückende Stimmung durch den Krieg fast vor unserer Haustüre, die unbeschwerte Freiheit am Boot war schnell ganz weit weg.

Anfang November war unsere Rückkehr nach Mexiko eingetaktet um wieder für längere Zeit zum Aussteiger zu werden. Anfangs lief noch alles wunderbar nach Plan, kein Zollbeamter hat diesmal versucht unser Gepäck zu untersuchen, wir haben wohl mit unseren riesigen Packtaschen wie echte Touristen ausgesehen.  Immerhin haben wir neben dem üblichen technischen Krims-Krams, den ganzen Ersatzteilen, Schoten und Fallen, Schäkeln und Schrauben, Ladegeräten und Solarreglern … diesmal auch noch ein Groß- und Besan-Segel mit eingepackt, maßgeschneidert in der Türkei, wir waren also beladen wie eine Karawane mit 20 Kamelen.

Die KALI MERA durften wir genau so vorfinden wie wir sie verlassen haben, alles hat auf Anhieb funktioniert, technisch alles perfekt, nach 10 Monaten ist der Motor sofort angesprungen, nur der Generator, der seit längerer Zeit immer extra gebeten werden musste, war beleidigt.  Aber als ich dann die defekte Dieselpumpe entdeckt und getauscht habe, hat er seine schlechte Stimmung aufgegeben und war wieder mit Freude bei der Arbeit, in bester Laune, so wie in alten Zeiten.

Auf Empfehlung von Segelfreunden hatten wir bei Carl Wu in China drei 200AH Lithium Batterien bestellt, die Lieferung hat perfekt funktioniert, den Einbau, der  einen größeren Umbau der Elektroanlage erforderte, hatten wir noch vor uns.  Aber zuerst war „Werftaufenthalt“ angesagt, nach vier Jahren im Wasser war es Zeit das Antifouling neu zu machen und die Servicearbeiten für C-Drive und Bugstrahlruder durchzuführen.  Kaum war die KALI MERA an Land aufgebockt, kommt eine Nachricht von unserer Familie zu Hause, die es notwendig macht mit dem nächsten Flug nach Wien zurückzufliegen.  Damit wir die KALI MERA in der Werft stehen lassen dürfen müssen wir Arbeiten beauftragen, also leisten wir uns die schon seit langem überlegte Änderung der Wasserlinie (die Gute hängt mit „dem Hintern“ etwas zu tief im Wasser und ich muss dort immer Algen putzen) und wir lassen den ganzen Rumpf neu lackieren.

Wieder daheim wird uns schnell klar, dass wir unsere Segelpläne für 2023 ändern müssen. Ich (Herbert) fliege zwar noch einmal für eine Woche zum Boot, um die KALI MERA von der Werft wieder zur Marina zurück zu verlegen, installiere noch die Lithium Batterien, und mach dann wieder alles dicht und zurück geht’s nach Hause, rechtzeitig für Weihnachten.

Unser Törn im Jahr 2022 war insgesamt damit die beachtliche Strecke von ungefähr einer ganzen Seemeile, von Marina zur Werft und wieder zurück. Das dürfte wohl die teuerste Meile sein, die wir bisher gesegelt sind. Und bei einer Jahresstrecke von einer Meile müssen wir ziemlich alt werden, um noch in die Südsee zu kommen.

Und genau diese Südsee, die wir eigentlich als nächstes ansteuern wollten, die wird nun auch noch etwas länger auf uns warten müssen.  So wie es aktuell aussieht wird die KALI MERA mit uns im Mai schon wieder Richtung Panama unterwegs sein, ein kleiner Abstecher ins Mittelmeer wird notwendig bevor wir wieder Kurs Südpazifik anlegen.

Sea of Cortez 2021

Es ist knapp nach Mitternacht, einige Tage nach Neumond gibt die schmale bleiche Sichel noch fast kein Licht, dafür leuchten die Sterne umso intensiver. Ich schreibe diesen Beitrag auf der Rückreise nach Mazatlan, während wir den Golf von Kalifornien – wie die Sea of Cortez nun offiziell heißt – queren. Wind ist aufgekommen, die Segel ziehen uns durchs ruhige schwarze Wasser. In den nächsten Stunden wird der Wind auffrischen und kräftig werden, ein Norder wird durchziehen und das Meer in Stimmung und uns zum Tanzen bringen. In Verbindung mit den starken Strömungen bringt der Nordwind eine kurze und steile Welle, zwei Meter Windwelle ist angesagt, gemeinsam mit der Dünung aus SW sorgt dies für Bewegung. Aber noch ist es ruhig, und die Gedanken wandern zurück zu den letzten Wochen im „Aquarium der Welt“, wie Cousteau dieses Meer nannte.

Mit dem Ende der Hurricane-Saison Ende November hat sich auch das Wetter gewandelt, ein Gefühl von Herbst hat sich eingestellt. Auch wenn die Temperatur tagsüber die 30 Grad Marke noch schafft, die Nächte sind schon frisch, manchmal braucht es sogar eine zweite Decke damit es kuschelig bleibt. Alle paar Tage sinkt die Wassertemperatur nun um ein Grad, mit dem kühlen Wasser kommt auch das Plankton, wir ziehen wieder Leuchtstreifen im nächtlichen Wasser hinter uns her. Die ersten Buckelwale trudeln von Ihrer Reise aus dem hohen Norden ein und vereinzelt sehen wir schon Manta-Rochen, die sich aus dem Wasser katapultieren.   

Wir schnorcheln mitten in riesigen Fischschwärmen, die ganze Welt um uns glitzert silbern, und einige Meter tiefer stehen die großen Zackenbarsche, zum Festschmaus versammelt. Aus der Luft holen sich die Fregattvögel und die Pelikane ihren Anteil.  Wir sehen Fischschwärme aus dem Wasser springen und dahinter, wie Torpedos, ihre Jäger, es ist ein großes „Fressen und gefressen werden“, und auch wir bekommen etwas ab, frischer selbstgefangener Fisch steht bei uns fast täglich am Speiseplan. Riesige Delphinschulen besuchen uns, hunderte Tiere, vielleicht auch mehr als tausend, soweit man blicken kann sehen wir sie springen. Beim wunderbaren Ankerplatz vor der Insel Coronado kommt uns täglich eine „Klasse“ besuchen, Tadeja schwimmt mit ihnen und auch mit den Seelöwen, von denen wir mehrere Kolonien sehen. Noch nie haben wir ein so „lebendiges Meer“ gesehen!

Den November verbringen wir hauptsächlich im Bereich von Loreto, auf den umliegenden Inseln ist das Mobilfunk-Signal noch stark genug, um uns mit Internet zu versorgen, dort können wir wieder Remote arbeiten. Die 8 Stunden Zeitunterschied zu Österreich machen uns zu Frühaufstehern, aber das gibt uns nach der Arbeit noch Zeit für ausgedehnte Spaziergänge und Wanderungen auf den unbewohnten Inseln. Auch zwei Regentage sind uns und der durstigen Natur vergönnt, nach Monaten der Trockenheit endlich ein wenig Wasser, und die Wüste beginnt sofort zu leben. Es ist an Land so trocken, dass ganze Bienenschwärme jeden Tag zu den ankernden Booten fliegen, um dort das dringend notwendige Süßwasser zu finden. Jeder Tropfen aus der Decks-Dusche zieht eine ganze Traube von Bienen an, und wenn es an Deck zu stark summt und schwirrt, dann verziehen wir uns in den Salon, hängen das Moskitonetz vor den Niedergang und warten bis es auftrocknet und die Bienen ihr Glück wo anders versuchen.

Die Nähe zu Loreto ist auch angenehm zum Verproviantieren, an ruhigen Tagen kann man vor dem Ort ankern und einen Landgang machen. Loreto ist eine hübsche kleine Stadt, mit guter nicht übertriebener touristischen Infrastruktur, ausgezeichneten Restaurants und einem Supermarkt mit ganz vernünftiger Auswahl. Auch die KALI MERA braucht ein wenig Aufmerksamkeit und in Loretos Ferreterias finden wir alles was wir dafür benötigen.

Weiter im Norden, in San Juanito, geht es durch die Steinwüste auf Maultieren zu einer Fundstelle von Petroglyphen, nicht vergleichbar mit den großartigen Kunstwerken in der Sierra San Franzisco, aber dennoch beeindruckend. Beeindruckend war auch die Trittsicherheit und Gelassenheit der Maultiere, ob entlang der Klippen oder über felsige Abhänge, durch Kakteenwälder oder am Strand, völlig entspanntes Reiten.

Neu für uns in Mexiko war auch, dass wir viel segelten und der Motor viel seltener zum Einsatz kam als in den letzten Jahren. Wir haben unsere Route dem Wind angepasst und mit dem Einsetzen des Nordwinds den Bug nach Süden gerichtet, ohne Eile haben wir diesmal auch lange Strecken unter Segel zurückgelegt. Diesmal konnte unsere Ketch ihre Stärken richtig ausspielen, Genussegeln bei leichtem Wind mit dem bunten Ballooner am Besan war uns vergönnt.     

Vom leichten Wind müssen wir uns aber nun verabschieden, es frischt schon auf, 30 Knoten sollen es in den nächsten Stunden werden, bald wird es Zeit zum Reffen.  Ein Tag und eine weitere Nacht liegen noch vor uns, bis wir wieder in unsere Basis in Mazatlan einlaufen. Dort steht dann wieder das übliche „KALI MERA Einlagern“ am Programm, einige intensive Tage, die wir möglichst schnell hinter uns bringen wollen, um noch genug Zeit für eine Landreise durchs Hochland von Mexiko zu haben, bevor es knapp vor Weihnachten wieder zurück nach Wien geht.

Bahia de los Muertos bis Mulege

Nur 190 Seemeilen sind es von Mazatlan bis zur Bahia de los Muertos, der stillen Bucht im Südosten der  Baja California, doch die eineinhalb Segeltage sind wie eine Reise zu einem anderen Kontinent.  Nach dem immer noch trüben, von Pamela aufgewühlten Meer vor der Festlandküste segeln wir nun in kristallklarem ruhigen Wasser. Tiefblau ist es auf Hoher See, wo die Delphine am Bug spielen, türkis in den Buchten, wo wir den Anker am Grund liegen sehen. Wir tauschen Palmenhaine und schwüles Tropenklima gegen Felsenwüste mit riesigen Kakteen, gut ausgebaute touristische Infrastruktur gegen einsame Buchten, und wir tauschen Supermärkte und Restaurants gegen unsere Angeln und gelegentlich gegen eine Palapa am Strand. Board-Alltag stellt sich wieder ein, Fischen, Schnorcheln, Lesen, Wandern, kleine Boardarbeiten, und unser innerer Rhythmus beginnt wieder im Einklang mit unserer Umgebung, mit den Gezeiten zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, zu schwingen. Hier im Golf von Kalifornien ist die Zeit eine andere, alles wird langsamer und nach einigen Tagen ist unser Blick nicht mehr auf „vorne“ fixiert, er wird weit und wendet sich schließlich nach Innen. 

Hitze, Höhen und Hurrikan

Sonne auf der Haut, Salz in der Nase, das leise Pfeifen des Windes – lautlos gleitet unser Schiff durchs Wasser. Ich überlasse mich dem Wind, den Wellen und dem Fluss meiner Gedanken, die Eindrücke der letzten Tage wechseln sich ab mit den Erinnerungen an zu Hause.

Sonne auf der Haut, Salz in der Nase, das leise Pfeifen des Windes – lautlos streicht unser Schiff durchs Wasser. Ich überlasse mich dem Wind, den Wellen und dem Fluss meiner Gedanken, die Eindrücke der letzten Tage wechseln sich ab mit den Erinnerungen an zu Hause.

Abends waren Delfine da, hunderte, von allen Seiten, im Spiel mit der Bugwelle, springend, Pirouetten schlagend, zu dritt, zu viert im perfekten Gleichklang.

Ankommen.

Zehn intensive Tage liegen hinter uns, zwischen extremer Hitze und kühler Bergluft, zwischen null und dreitausend Metern Seehöhe.

Es gibt Schöneres als das Schiff bei 40 Grad Celsius startklar zu machen! Es ist drückend heiß, die Nacht bringt keine Erleichterung, der Jet-Lag tut sein Übriges. Wir sehnen uns nach dem goldenen Herbst zu Hause, wären wir doch dortgeblieben und könnten uns nachts wohlig in Daunendecken kuscheln!

Nach zwei unerträglichen Nächten flüchten wir! Die gewaltige Sierra Madre lockt mit ihrer klaren frischen Luft und mit angenehmen Temperaturen. Die Straße nach Durango führt ins schroffe Bergland, über die spektakuläre höchste Brücke des amerikanischen Kontinents, über tiefe Canyons, entlang der „Wirbelsäule des Teufels“ – angeblich die gefährlichste Hochstraße der Welt.  Schlammlawinen und gewaltige Steinschläge zeugen von den hier herrschenden Unwettern – man möchte nicht gerade zur Stelle sein, wenn sich ein Felsbrocken von mehreren Metern Durchmesser aus den überhängenden Wänden löst!

Noch nie haben wir México zu dieser Jahreszeit besucht, die Regenzeit ist gerade zu Ende gegangen. Die Natur ist ein einziges Blumenmeer in Gelb, Orange, Violett, Weiß und Grün. Wir reisen in ein Hochgebirge, das sich in einen riesigen Garten verwandelt hat.

Wie Bilder einer Ausstellung reihen sich die Ereignisse in meiner Erinnerung auf. Freundliche Menschen, die sich auch unter schwierigsten Verhältnissen in den Bergen eine einfache Existenz aufgebaut haben, lachende Kinder mit schwarzem Haarschopf, Pferde, Kühe, Esel und Geier, die sich mit uns die Straße teilen. Die schöne koloniale Altstadt von Durango. Die halb zerfallene Felsenkirche in Nombre de Dios, die älteste Méxicos, in deren unterirdischen Gängen sich laut den Einheimischen unermessliche Goldschätze befinden, die aber – jammerschade – nicht geborgen werden dürfen, um die Kirche nicht zu gefährden. Ein atemberaubender Wasserfall in einer Landschaft wie aus einem alten Western.

Und dann Molinillo. Mit unserem Kia Rio biegen wir, dem Schild Richtung „Mountain Resort“ folgend, vom Highway ab. Schon nach wenigen Metern kann man eigentlich nicht mehr von Straße sprechen. Und es kommt schlimmer. Denn Herbert entscheidet sich, seiner von google maps gesteuerten Intuition und nicht dem Wegweiser zu folgen. Es wird steiler. Tiefe Gräben, Löcher, Steine, Wurzeln. Umkehren nicht möglich. Nach dem letzten Dorf, das eine halbe Stunde zurückliegt, keine Menschenseele mehr. Blick starr nach vorn gerichtet, Anspannung, kein Wortwechsel. Schaffen wir es über den nächsten Steinhaufen? Und zurück müssten wir dann auch wieder…

Belohnt wurden wir mit idyllischen Bergseen und einem Wasserfall, der hundert Meter steil nach unten – fast könnte man sagen – fliegt. Ich jedenfalls bin mit der Zip-Line und den bunten Papageien, die dort leben, drüber hinweg geflogen!

Die Rückfahrt erwies sich in der Tat einfacher– natürlich gab es eine etwas bessere und kürzere Straße, von der „maps“ eben noch nicht wusste.

Inzwischen ist Hurricane Pamela im Anflug. Pam sollte direkt in Mazatlan, wo unser Schiff liegt, an Land treffen. Vorher ist an ein Ablegen nicht zu denken. Bis dahin haben wir noch zwei Tage Zeit. Da geht sich noch ein Besuch der Steingärten von Mexiquillo auf 3200 Meter Seehöhe aus. Wir mieten uns eine Cabana (eine Art Selbstversorger-Almhütte), bekommen ein großes Bündel Holz auf die Terrasse gelegt, fürs Wasser Aufwärmen und gegen die Kälte der Nacht. Wir genießen das knisternde Feuer am offenen Kamin.

Ohne große Erwartungen hängen wir uns die Kameras um und starten unsere Expedition in den großen Abenteuerspielplatz der Mexikaner. Wir schlendern einem Bach entlang über grüne Wiesen, um uns unvermittelt inmitten skurriler Steinformationen einer Mondlandschaft gleich wiederzufinden, die uns in Ihren Bann ziehen. Stundenlang laufen wir wie Kinder umher, staunen, spielen Verstecken und klettern auf jeden Steinpilz den wir erklimmen können. Ist Pamela doch zu etwas gut! 

Zurück in Mazatlan heißt es die Kali Mera auf den herannahenden Sturm vorzubereiten. Im Yacht Club herrscht hektische Betriebsamkeit, fast alle Boote werden an Land gebracht, wir bauen Sprayhood und Bimini ab, kaufen zusätzliche Fender, bringen extra Festmacher an und verstauen alles, was nicht niet- und nagelfest ist, unter Deck. Pamela soll erst kurz nach Mitternacht eintreffen und wir wollen noch, nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, mit unserm Mietwagen zum Abendessen fahren. Eine grauschwarze Wolken-Walze hat sich über dem Meer aufgebaut, es herrscht Weltuntergangs-Stimmung und dann beginnt es zu regnen, nein, es schüttet wie aus Eimern. Binnen Minuten sind die Straßen überschwemmt und wir können von Glück reden, dass wir noch rechtzeitig umkehren können, bevor unser Kia, der Held von Molinillo, elendiglich in Mazatlan ersäuft. Wir nehmen die Henkersmahlzeit also an Board der Kali Mera ein und gehen mit einem mulmigen Gefühl schlafen. Pamela ist zwar kein willkommener Gast, aber pünktlich ist sie. Nach Mitternacht öffnet der Himmel nochmals seine Schleusen und ganz plötzlich ist der Sturm im Yacht Club angekommen. Kali Mera legt sich immer wieder schwer auf die Seite, ächzt und stöhnt, aber letztendlich geht für uns alles gut aus. Aber in der Nachbar-Marina sind Boote gesunken, die Einfahrt in den Marina District bleibt noch zwei Tage blockiert, und viele Straßen bleiben längere Zeit unpassierbar, unsere Fahrt nach Durango wäre nun nicht mehr möglich.

Nach dem Sturm heißt es nochmals putzen, das Deck von abgerissenen Blättern und Zweigen befreien und unser Boot zum Auslaufen bereit machen. Zwei Tage später hat sich der Seegang beruhigt und wir können endlich auslaufen, Segel setzen, den Bug Richtung Baja California richten und wieder freie Seeluft atmen.

homeward bound

„Aus is und gar is, a Schmarrn is, dass’s wahr is!“ Frei nach dem Monaco Franze, Winter in der Sonne, ohne Lockdown und mit viel Salzwasser, vorbei!

Die KALI MERA liegt fest vertäut in Mazatlan und wir sind wieder in Österreich, ebenso fest angebunden, aber halt im Homeoffice mit „Ausgangssperre light“. Wir hatten eine angenehme Rückreise und einen leidlichen Kulturschock bei unseren Ankunft, nach drei Monaten in Land der fröhlichen Menschen sind die ersten Stunden im Pandemie-geplagten Wien eine Rosskur gegen zuviel gute Laune.  Aber es kann sich kein Heimkehr-Blues breit machen, wir sehen endlich Familie und Freunde wieder, das weltbeste Gegenmittel, und dann erwacht auch noch der heimatliche Frühling und wir freuen uns wieder daheim zu sein.

Die Tage in Mexiko hatten dieses Jahr etwas ganz Besonderes, nicht nur weil wir diesmal „fulltime“ gearbeitet haben, ein etwas anderes Homeoffice, es war kein richtiger Urlaub aber sehr wohl eine „Auszeit“, ein Luftholen und Energie-Tanken. Es war eine ruhige, aufmerksame und vorsichtige Zeit, weit entfernt von Influencern und Party-Touristen, eine Zeit in der wir erfahren konnten, wie Menschen ohne enges soziales Netz mit dieser weltweit so schwierigen Situation zurechtkommen, eine lehrreiche und bereichernde Zeit, für die wir sehr dankbar sind.

Und nun freuen wir uns voll Optimismus auf Frühling und Sommer hier in Österreich, unsere KALI MERA wissen wir in guten Händen, und im Herbst schon werden wir sie wieder besuchen…

die Highlights des Winters